Paraiba Turmalin, geschliffen
Foto: K. Sieber, www.makrogalerie.de
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Der Name Paraiba lässt viele Menschen an hellblaue Turmaline aus der Provinz Paraiba in Brasilien denken. Eine Recherche auf der Auktionsplattform Ebay legte jedoch offen, dass hier ganz verschiedene Produkte mit dem Beiwort "Paraiba" angeboten werden. Gemeint sind in solchen Fällen Steine oder künstliche Produkte mit einer leuchtenden neonblauen Farbe. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die unglückliche Verknüpfung von Herkunftsbezeichnung und Farbeindruck, die bei "Paraiba-Turmalin" zum Handelsusus wurde, Verwirrung stiftet und einer irreführenden Verwendung Tür und Tor geöffnet hat.
»Paraiba-Turmalin« (Elbait)
1987 wurden im brasilianischen Bundesstaat Paraiba erstmalig Turmaline entdeckt, die durch die Spurenelemente Kupfer und Mangan eine außergewöhnliche Farbe in türkis bis neonfarbenen Blautönen zeigten. Die nach ihrem ersten Fundort benannten „Paraiba-Turmaline“ gelangten bald zu Weltruhm. Bereits 5 Jahre nach ihrer Entdeckung genossen sie einen besonders exklusiven Ruf und Preis.
Ungefähr seit dieser Zeit gelangten aber auch blaue und blaugrüne, kupfer- und manganhaltige Elbaite aus dem im Norden an Paraiba angrenzenden Bundesstaat Rio Grande do Norte als „Paraiba-Turmaline“ auf den Markt. Bis in das Jahr 2000 hinein galt die Region im Norden Brasiliens als die einzige, in der diese Turmalin-Varietät gefunden wurde.
Dann wurden jedoch kupfer- und manganhaltige Turmaline in der Oyo Provinz in Nigeria entdeckt, mit vergleichbaren Farben und gemmologischen Eigenschaften. In der Folge begannen erste Diskussionen darüber, den Begriff „Paraiba-Turmalin“ auch auf diese Steine auszuweiten.
2005 wurden in der bekannten Pegmatitregion von Alto Ligonha in Mosambik, abgerollte von sekundären Vorkommen stammende violette, pinkfarbene, purpurfarbene, blaue, grünlich-blaue, gelblich-grüne und grüne Turmaline gefunden, die zu einem großen Teil als kupfer- und manganhaltige Elbaite beschrieben werden können. Prompt flammte die Paraiba-Diskussion erneut auf und wurde intensiver geführt als je zuvor.
Hatte man schon bei den brasilianischen Paraiba-Turmalinen großzügig über ihre wahre Herkunft hinweggesehen, so ist man nun in Erklärungsnot, warum nicht alle blauen bis grünen, kupfer- und manganhaltigen Varietäten des Turmalinminerals Elbait als „Paraiba“ bezeichnet werden dürfen. Dieser Ansicht schloss sich auch die CIBJO-Kommission an, die im Anhang B des CIBJO Blue Book über die erlaubten Handelsnamen den Begriff „Paraiba-Turmalin“ für alle blaue und grüne Turmaline verwendet, die ihre Farbe dem Spurenelement Kupfer verdanken. Im Jahr 2006 hat auch das LMHC (Lab Manual Harmonization Committee) der CIBJO beschlossen, diese Vorgehensweise zu übernehmen. Damit wurde die Bezeichnung Paraiba mehr und mehr zum Handelsnamen, der auf chemischer Klassifikation beruht und nicht auf einer speziellen Herkunft.
Durch die Zulassung des Namens auch für andere Fundstellen verliert der Originalfundort jedoch an Bedeutung und damit die Steine an Wert, was wiederum zu massiven Protesten brasilianischer Händler und Erzeuger führte. Im April des Jahres 2008 erreichte die internationale Kontroverse um den Bergriff „Paraiba“ eine neue Stufe, als David Sherman, Entdecker und Betreiber der Paraiba-Mine in Sao Jose de Batalha (Brasilien) und CEO von Paraiba.com, Inc. beim Staat Kalifornien eine spektakuläre Klage in der Höhe von 120 Mio. US$ einbrachte. Unter den Beklagten waren sowohl führende amerikanische gemmologische Labore wie AGTA (American Gem Trade Association) und GIA (Gemological Institute of America), als auch eine Reihe prominenter Persönlichkeiten der Edelsteinbranche. Der Streit ist noch nicht entschieden, aber es ist zu erwarten, dass die Klärung des Begriffs "Paraiba"-Turmalin noch einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte.
Was oft nicht erwähnt wird, aber der ganzen Debatte zugrunde liegt, ist die Tatsache, dass die Herkunft eines als „Paraiba“-Turmaline bezeichneten Turmalins bei der gemmologischen Untersuchung im Labor (noch) nicht sicher bestimmt werden kann. Zu ähnlich ist ihre chemische Zusammensetzung und Entstehungsweise, zu undurchsichtig die Handelswege. Konsequenterweise ist es zu empfehlen, von der (Herkunfts-) Bezeichnung „Paraiba“ ganz abzurücken und die intensiv hellblauen bis grünen kupferhaltigen Elbait-Turmaline als das zu bezeichnen, was sie sind: Kupfer-Elbait.
Apatit
Bei Eingabe des Suchworts "Paraiba" auf ebay werden zuallererst einige Dutzend neonblaue Apatite gezeigt. Die hohen Preise, die für diese Apatite aufgerufen werden, lassen völlig außer Acht, dass Apatit nicht im Entferntesten an das Preisniveau von Paraiba-Turmalin heranreicht. Einige ganz dreiste Anbieter preisen diese Apatite sogar als Wertanlage an. Spätestens dann werden die Stücke ins EPI-Labor gesandt, wo wir anhand einer Raman-Laseranalyse zweifelsfrei feststellen können, dass das teure Stück kein Paraiba (-Turmalin) ist, sondern billiger Apatit.
Vergleich von Apatit und Turmalin mittels Raman-Laserspektra.
die gemessene Probe 8371 wurde als Apatit identifiziert.
Blautopas
"Paraiba" (bestrahlter Topas)
Am zweithäufigsten wird sogenannter "Paraiba-Topas" angeboten. Hierbei handelt es sich um altbekannte, elektronenbestahlte Topase in den Farben "neonblau". Warum die nun "Paraiba" heißen sollen, ist unklar.
Hierbei ist anzumerken, dass der Name Paraiba ohne Nennung des jeweiligen (korrekten) Mineralnamens in keinem Fall zugelassen ist, weder bei der bekannten hellblauen, kupferhaltigen Turmalin-Varietät, noch bei bei einem anderen Mineral. Einen Stein, der nur "Paraiba" heißt, gibt es also nicht.
Fluorit
"Paraiba grüner Fluorit"
Aber es geht noch weiter in der Reihe: "Paraiba-Fluorit" ist ein Newcomer unter den Paraiba-Probanten. Wegen seiner geringen Härte und sehr guten Spaltbarkeit ist er als Schmuck für den Alltagsgebrauch ungeeignet. Dessen ungeachtet werden facettierte, hellblaue "Paraiba"-Fluorite in Ringen gefasst angeboten.
Wenn es um die Verwendung von kunstvollen Namensschöpfungen geht, so ist gleich nach Ebay die Internetplattform Etsy zu nennen. Dort werden z.B. grüne, facettierte "Paraiba"-Fluorite angeboten.
"Obsidian" (Kunstglas)
Ähnliches gilt auch für den "Paraiba-Obsidian". Dutzende von Untersuchungen im EPI-Labor sprechen hier eine klare Sprache: Es handelt sich stets und ausschließlich um künstliche Glas-Produkte. Lesen Sie dazu unseren Artikel Obsidian: Naturprodukt contra künstlichem Glas.
Typisches Röntgenspektrum (RFA) eines Kalk-Natron-Glases mit erhöhtem Calcium- (Ca) und Natrium- (Na) Gehalt, wie er bei natürlichen Gläsern nicht vorkommt.
künstliches Produkt (Glas) alias ("Paraiba"-) Obsidian
Autor: Dipl.-Min. B. Bruder
© INSTITUT FÜR EDELSTEIN PRÜFUNG (EPI)
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